Heute bin ich als Jäger und Sammler in der Wingst unterwegs. Was braucht man? Nicht unbedingt einen regennassen Tag wie diesen, dafür ein Taschenmesser, einen Korb und einen Pilzexperten.

Wie Elke Knoll, die sich schon von klein auf mit den „Perlen des Waldes“ befasst. Von Pilzen habe ich Null Ahnung. Nur soviel weiß ich: es gibt ungenießbare, giftige, essbare, und tödliche. „Wir können ganz viele finden oder gar nichts“, sagt Elke Knoll.
Da lecken sich Feinschmecker alle zehn Finger!
Gleich an der ersten Ecke haben wir Glück. An einer Böschung wachsen uns aus einem Moosbett Pfifferlinge entgegen. „Das glaub‘ ich jetzt nicht“, jubelt Frau Knoll. „Es gibt Leute in der Wingst, die haben noch nicht einen einzigen Pfifferling gefunden!“ Für einen Freudentanz ist der Boden leider zu matschig. Da kann es jetzt gießen wie es will, wir sind schon auf unsere Kosten gekommen.

Und die zwölfjährige Lea lernt, ihren ersten Pilz zu putzen. „Alles, was nicht gelb ist, muss ab.“ Besser konnte unser Start nicht sein. Ab ins Unterholz! Was für ein herrlicher Untergrund! Man wandelt wie auf einem dicken Velourteppich. Irgendwo Waschbären zu sehen? Es sollen welche ausgebüxt sein. „Das Messer beim Laufen dicht machen, das kann sonst tödlich enden“, ermahnt uns Frau Knoll. Was wächst da denn? „Der ist nicht für uns, das ist ein Milchling!“ Durch sein brennend scharfes Fleisch gilt er als ungenießbar.

Steinpilz oder Gallenröhrling? Eine Frage des Geschmacks!
Beim Pilzesammeln sollte man sich nicht alles mitnehmen, was einem essbar erscheint. Zumal es in Mitteleuropa etwa 3000 bis 4000 Großpilze gibt, davon die Hälfte essbar. „Entweder suche ich Röhrenpilze von vornherein oder ich gehe auf Krause Glocke“, lautet die Empfehlung der Pilzberaterin. Dann habe man von vornherein einen ganz anderen Blick. Die Schnecken sitzen ja wohl überall drin! Selbst der Gallenröhrling kann sie nicht verschrecken. Er sieht dem Steinpilz, des Sammlers Liebling, zum Verwechseln ähnlich. „Wir hatten mal einen im Gulasch davon, ekelig“, erinnert sich die Wingsterin. Ich lege ein Stück davon auf meine Zunge.
Tatsächlich, Gallenbitter!

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!
Zwischen den kleinen Douglasien leuchtet es. Den Täubling, unter denen es sogar tödlich giftige gibt, müssen wir jetzt nicht haben. Kein Pilz ist es wert, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Wir überlassen den zwielichtigen Gesellen den Mäusen und Schnecken, denen das nichts ausmacht. Ganz in der Nähe steht dafür ein Perlpilz. Er gehört zu den Knollenblätterpilzen und ist essbar. Leider ist er häufig stark madig, so wie dieser. Aber Augen auf! Der Genuss seines Doppelgängers, dem Pantherpilz, geht mit Sicherheit tödlich aus. Dagegen ist der Hexenpilz ein schöner Speisepilz, der Freude aufkommen lässt. Lea putzt ihn blitzeblank. Bei Druck läuft er an den Lamellen schwarz an.

Wir schwärmen in verschiedene Richtungen aus. Mal ist der Wald laut, mal ist er ganz leise und man fühlt sich geborgen. Gerade will sich Stille und Entrücktheit einstellen. Aber mein innerer Kompass funktioniert nicht mehr. Zwei, dreimal gedreht und schon hat man sich verlaufen. Wie gut, dass unserer Pilzführerin noch in Sichtweise ist. Der Herbstwald hat unseren Korb mit prachtvollen Exemplaren gefüllt. „Die müssen nur scharf gebraten werden“, ermahnt uns die Waldkennerin. Die meisten Pilze sind nämlich roh giftig. Zum Abschluss stoßen wir noch auf den König der Waldpilze – einen Steinpilz wie aus einem russischen Märchen. So sehen Trophäen aus! Joachim Tonn
